Latente Energie ? die verborgene Kraft in der Wetterküche!

Die latente Wärmeenergie [von lat. latere=verbergen] ist die Wärmeenergie, die bei konstanter Temperatur und konstantem Luftdruck für einen Aggregatzustandswechsel eines Stoffes benötigt bzw. bei einem Phasenübergang freigesetzt wird. Die Phasenübergänge zwischen den Aggregatzuständen fest und flüssig werden dabei als "Gefrieren" und "Schmelzen" bezeichnet. Zwischen den Zuständen flüssig und gasförmig spricht man von "Kondensieren" und "Verdunsten". Bei den Übergängen von fest auf gasförmig und umgekehrt ist schließlich die Rede von "Sublimieren" und "Resublimieren".

Für die Meteorologie ist diesbezüglich das Element "Wasser" von besonderer Bedeutung, das bei seinen Phasenwechseln große Energiemengen in der Troposphäre umsetzt. Der Begriff "Latente Wärmeenergie" beschreibt die Wärmemenge, die im Wasserdampf als potentielle Energie gespeichert ist. Luft, die Wasserdampf enthält, besitzt aus diesem Grund auch immer eine große Energiemenge, die sich aber nicht auf die Temperatur auswirkt und deshalb latent (verborgen) genannt wird.

Diese Wärmemenge wird, global betrachtet, bei der Verdunstung hauptsächlich den Wasseroberflächen entzogen. Im Wasserhaushalt der Erde werden rund 86 Prozent aus dem Meer und rund 14 Prozent von den Landflächen verdunstet. Während des Verdunstungsvorgangs wird der Verdunstungsoberfläche Wärme entzogen, wobei ihre fühlbare Temperatur absinkt. Dieser verdunstungsbedingte Abkühlungseffekt kann schließlich bei den unterschiedlichsten Wetterphänomenen beobachtet werden.

Im Winter ist beispielsweise ein rasches Absinken der Schneefallgrenze mit der Verdunstungsabkühlung in Verbindung zu bringen. Fällt Niederschlag, anfangs als Regen, in eine trockene bodennahe Schicht, verdunstet er zunächst und kühlt somit die Schicht ab. Nachfolgend sinkt die Schneefallgrenze ab. Vor allem in den Tälern der Gebirge lässt sich dieser Vorgang besonders gut nachvollziehen, indem dann bis in die Täler Schnee fällt. Des Weiteren kann eine signifikante Verdunstungsabkühlung z.B. im Umfeld von tropischen Wirbelstürmen festgestellt werden. Diese beziehen den Großteil ihrer benötigten Energie aus dem Meeresoberflächenwasser. Bei der Verdunstung wird dem Meerwasser Wärmeenergie entzogen, was eine Erniedrigung der Temperatur der Wasseroberfläche zur Folge hat. Mit Durchzug von Hurrikan ?Katrina? im Golf von Mexiko fiel beispielsweise die Wasseroberflächentemperatur von 32 auf 31 Grad ab (vom 29. Zum 30. August 2005).

Bei der Kondensation (Übergang gasförmig-flüssig) oder Sublimation (Übergang gasförmig-fest) des Wasserdampfes wird die latente Wärmeenergie schließlich wieder freigesetzt. In der Troposphäre erhöht sich dabei die Lufttemperatur der Umgebung. Dieser kondensationsbedingte Erwärmungseffekt tritt z.B. bei der Wolken- und Niederschlagsbildung auf. Besonders bei Gewitterwolken, den sogenannten "Cumulonimbi", ist die Freisetzung von latenter Energie von großer Bedeutung. Je mehr Wasserdampf kondensiert, umso mehr Wärmeenergie wird freigesetzt und desto größer sind die konvektiven Aufwinde in der Wolke. Dies ist auch der Grund, weshalb sich vor allem an schwülheißen Sommertagen, an denen die Luft über einen hohen Feuchtegehalt verfügt, kräftige Gewitter entwickeln können.

Von diesen Tagen sind wir in Deutschland derzeit allerdings weit entfernt. Auch wenn sich der Oktober größtenteils noch sommerlich zeigte und sich auch der November nach der aktuellen kurzen Kältephase in den nächsten Tagen anschickt, wieder Temperaturen zwischen 15 und 20 Grad zu erreichen.

Ein Blick auf die Alpensüdseite kann ebenfalls die Effekte der latenten Energie sichtbar machen. Wie im Thema des Tages vom 27. Oktober beschrieben, kam es in Italien durch kräftige Gewitter, die sich teilweise zu mächtigen Clustern zusammenschlossen, zu heftigen konvektiven Niederschlägen. Da das Mittelmeer noch über eine relativ hohe Oberflächentemperatur (um 20 Grad) verfügt, kann die untere Atmosphäre entsprechend erwärmt und mit Feuchte angereichert werden. Das so induzierte Aufsteigen der Luft in höheren Schichten setzt, wie beschrieben bei der Kondensation, die "latente Energie" frei und verstärkt somit die vertikalen Windgeschwindigkeiten. Aber auch die am 27. Oktober betrachteten intensiven Niederschläge an den orographischen Hindernissen wie Alpen und Apenninen verfügten durch die gestauten, sehr feuchten und warmen Luftmassen vom Mittelmeer über einen Antriebsanteil durch die "latente Energie".

Dipl.-Met. Lars Kirchhübel

Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 31.10.2018

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