Die Macht des Wetters Teil 2 Die Invasion am DDay

Während des Zweiten Weltkriegs hofften die Alliierten unter Führung des Oberbefehlshabers General Dwight D. Eisenhower Europa von den Nazis zu befreien und planten eine Invasion von Südengland aus. Es sollte die weltweit größte Militäraktion werden und lief unter dem Decknamen "Overlord". Der erste Tag der Invasion, auch als "D-Day" (Decision Day) bekannt, hatte zum Ziel, deutsche Stellungen an der französischen Normandieküste einzunehmen. Allerdings mussten die Streitkräfte, die sich im Mai 1944 in Südengland sammelten, den unberechenbaren Ärmelkanal überqueren. Stark wechselhaftes Wetter, wie es dort häufiger auftritt, hätte zu einem Desaster führen können.

Der Erfolg der Landung in der Normandie hing also maßgeblich vom Wetter ab. Das Militär verlangte deshalb eine 5-Tage Prognose für den D-Day, was auch heute noch in Regionen mit sehr variablem Wetter nur begrenzt möglich ist. Im Jahr 1944 war die Wettervorhersage für den nächsten Tag bereits schwierig. Zwar wurde damals schon sehr wissenschaftlich gearbeitet, allerdings fehlte es an flächendeckenden Messungen sowie moderner Technik wie Wetterradar und Fernerkundungsdaten von Satelliten. Per Fernschreiber wurden Wettermeldungen von Messstationen und Schiffen mühsam übermittelt und händisch auf Wetterkarten eingetragen. Hauptverantwortlich für die Wettervorhersage war der Chefmeteorologe von Eisenhower, James Martin Stagg, der zusammen mit drei in Großbritannien ansässigen Wetterdiensten diese nahezu unmögliche Aufgabe meistern sollte. Kein Wunder also, dass die Vorhersage für den Ärmelkanal am D-Day als die wohl wichtigste Wetterprognose in die Weltgeschichte einging.

Häufige Konflikte ergaben sich zwischen Stagg und dem führenden Meteorologen der US-amerikanischen Heeresflieger Irving P. Krick, dem Gründer und damaligen Dekan einer der landesweit ersten meteorologischen Fakultäten am Institut für Technologie in Kalifornien. Krick bediente sich des sogenannten "Analogverfahrens", welches er selbst ausgearbeitet hatte. Dieses beruhte auf der statistischen Auswertung historischer Wetterdaten an der Erdoberfläche. Dabei fand man heraus, dass sich gewisse Wettermuster zufällig wiederholten. Demnach wurde angenommen, dass das Wetter der nächsten fünf Tage dem am nächsten kommenden historischen Vorbild folgen würde. Auf der Basis dieses Verfahrens lieferten die amerikanischen Heeresflieger präzise formulierte Vorhersagen für die nächsten 5 Tage, was zum Unverständnis der britischen Wetterdienste beitrug. Stagg, der das äußerst wechselhafte britische Wetter gut kannte, stand der Langzeitprognose ebenfalls kritisch gegenüber. Zudem übernahm Stagg im meteorologischen Team die Funktion eines Obersts, dem sich Krick unterzuordnen hatte, was für weitere Spannungen zwischen den beiden Meteorologen sorgte.

Aufgrund der Gezeiten entschied man sich im Mai 1944, den D-Day auf den Morgen des 5. Juni zu legen. Ebbe war eine der Grundvoraussetzungen des Militärs für eine erfolgreiche Landung, da so vom Feind installierte Unterwasserhindernisse am exponiertesten lagen. Zusätzlich hatte jede Truppengattung in den Reihen der Alliierten ihre eigene Vorstellung vom "optimalen" D-Day-Wetter: Das Heer wünschte sich für die schweren Fahrzeuge einen tragfähigen, trockenen Untergrund, was Regen in den Tagen vor der Invasion zum Problem machte. Morgennebel würde die Sicht der Fallschirmjäger behindern, die Sichtweite sollte mindestens 5 Kilometer betragen. Für die Marine durfte der mäßige auflandige Wind 20 km/h nicht überschreiten, Windstille barg dagegen die Gefahr von Nebelbildung und Gasangriffen, zudem durfte es wegen der Anfahrt der Landungsschiffe wenige Tage vor dem Einmarsch keinen Sturm geben.

In den Tagen vor der Großoffensive wichen die Vorhersagen der drei Wetterdienste für den D-Day stark voneinander ab. Aufgrund einer Reihe von Tiefdruckgebieten über dem Atlantik, die Kurs auf die Britischen Inseln nahmen, ging einer der britischen Wetterdienste von stürmischem und regnerischem Wetter aus, ein anderer warnte vor Gewittern. Krick hingegen prognostizierte mit seinem Analogverfahren, dass sich das Azorenhoch nach Norden ausweiten und so die Stürme nach Norden ablenken würde. Entsprechend sagte sein Team ruhiges Wetter für die gesamte erste Juniwoche vorher. Da sich die Aussichten immer weiter verschlechterten, je näher der D-Day rückte, gab Stagg Eisenhower letztlich die Empfehlung, den Tag der Landung zu verschieben. Da das Überraschungsmoment beim Angriff auf die Normandie von grundlegender Bedeutung war und die massiven Truppenbewegungen durch eine längere Verschiebung Gefahr liefen, von deutschen Aufklärungsflugzeugen entdeckt zu werden, wurde der D-Day um nur einen Tag verschoben.

Am 5. Juni bewahrheitete sich Staggs Vorhersage. Eine Kaltfront griff auf den Ärmelkanal über und sorgte neben starkem auflandigem Wind für hohe Wellen und Regen mit schlechten Sichtbedingungen, was die Landung mit großer Sicherheit hätte scheitern lassen. Hinter dieser Kaltfront bahnten sich jedoch ein vorübergehender Zwischenhocheinfluss und somit eine kurzzeitige Wetterberuhigung an, die auch die Meteorologen registrierten, sodass am 6. Juni ein kurzes Zeitfenster für eine Invasion offen stand. Die deutschen Meteorologen vor Ort, denen, wie sich im Nachhinein herausstellte, deutlich weniger Wetterinformationen zur Verfügung standen, prognostizierten hingegen für den 6. Juni Sturmböen. Somit rechnete niemand im besetzten Frankreich mit dem Einmarsch der Alliierten.

Der Start der Invasion um Mitternacht am D-Day verlief aber alles andere als nach Plan. Schlechte Sichtweiten und ein aufgewühltes Meer sorgten für ungünstige Landebedingungen. Sowohl die Fallschirmspringer als auch die Flugzeugbomber verfehlten ihre Ziele aufgrund geringer Sichtweiten um mehrere Kilometer, viele Soldaten mussten bereits bei der Landung in den Küstenregionen ihr Leben lassen. Zur Mittagszeit klarte der Himmel dann endlich auf und das Wetter beruhigte sich, sodass der D-Day trotz tragischer Verluste ein erster Erfolg für die Alliierten im Kampf gegen die deutschen Besatzungstruppen werden konnte.

Stagg sollte mit seiner Wetterprognose Recht behalten. Am Ende wissen sowohl er als auch Eisenhower, dass es richtig war, den Befehl zur Invasion zu geben. Wer weiß, welchen Lauf die Geschichte genommen hätte, wenn die Vorhersage des Chefmeteorologen falsch gewesen wäre.

MSc.-Met. Sebastian Schappert

Deutscher Wetterdienst

Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 29.08.2016

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