Monsundepression über Bengalen

Monsune sind großräumige, mit beständigen Winden einher gehende Luftströmungen in den Tropen und niederen Subtropen mit halbjährlichem Richtungswechsel. Ihre Ursache sind die unterschiedliche Erwärmung von Meer und Land sowie die damit zusammenhängende, jahreszeitliche Verlagerung der innertropischen Konvergenzzone (ITCZ).

In Süd- und Südostasien, aber auch in Westafrika, findet man klimaprägende regionale Monsune, unter denen der "indische Monsun" der gewaltigste ist. Im Gegensatz zu den anderen Monsunsystemen, die man vereinfacht als großräumige Land- und Seewindzirkulation auffassen kann, spielen beim indischen Monsun auch dynamische Prozesse in der mittleren und höheren Troposphäre eine wichtige Rolle, deren Ursache die besondere Lage des indischen Subkontinents und seine nordöstliche Begrenzung durch den Himalaya und das sich anschließende Hochland von Tibet sind.

Im Frühjahr wandert mit zunehmendem Sonnenstand auf der Nordhemisphäre die innertropische Konvergenzzone (ITCZ), ein durch Erhitzung der bodennahen Luftschichten und Konvektion verursachter, weltumspannender Tiefdruckgürtel, nach Norden und auch das Festland Südasiens erwärmt sich stark. Über dem Tiefland des indischen Subkontinents bildet sich ein ausgedehntes Hitzetief. Die umgebenden Meere sind demgegenüber etwas kühler, dort herrscht im Bodenniveau relativ höherer Luftdruck.

Diese bodennahen Druckunterschiede treiben eine großflächige Luftströmung in Richtung des südasiatischen Hitzetiefs an - den indischen Sommermonsun (dauert etwa von Ende Mai/Anfang Juni bis Ende September/Anfang Oktober). Infolge der Coriolis-Kraft werden großräumige Horizontalbewegungen auf der Nordhalbkugel nach rechts, auf der Südhalbkugel nach links abgelenkt. Dementsprechend wird der Sommermonsun nach der Passage des Äquators über Südasien zum Südwestmonsun.

Außerdem kann der indische Südwestmonsun durch das im Frühjahr entstehende Hitzetief über Südasien ("Monsuntief") eine markante Ostwindkomponente entwickeln. Dadurch erklärt sich auch das Fortschreiten des in seiner Intensität raum-zeitlich stark variierenden Monsunregengebietes ("Monsunfront") in nordwestlicher Richtung, vom Golf von Bengalen bis zum Aravalli-Gebirge (Rajasthan, Nordwestindien) oder sogar bis zum Indus (Punjab, Pakistan) im Verlaufe der ersten Hälfte des nordhemisphärischen Sommers.

Da der (in der Vertikalen etwa 3000 m mächtige) indische Sommermonsun über weite und relativ warme Meeresflächen weht, kann sich die Luft mit Wasser anreichern. Der Sommermonsun ist also feuchtwarm und bringt dem indischen Subkontinent ergiebige Regenfälle ("Monsunregen"), die durch Staueffekte an den Gebirgen (z.B. Westghats, Assam-Himalaya) noch verstärkt werden. Jedoch bestehen die Niederschläge des indischen Sommermonsuns nicht nur aus orographisch bedingtem "Steigungsregen".

Betrachtet man nämlich die Vorgänge in höheren Atmosphärenschichten, so übt das mit einer durchschnittlichen Höhe von ca. 4500 m über dem Meeresspiegel gern als "Dach der Welt" bezeichnete Hochland von Tibet einen besonderen Einfluss auf den indischen Monsun aus. Seine Höhenzüge und Hochebenen fungieren im Sommer, bei hohem Sonnenstand und durch Schneeschmelze verringertem Reflexionsvermögen, quasi als "Heizfläche", so dass dort in der mittleren und höheren Troposphäre das Geopotential steigt und ein "thermisches Hochdruckgebiet" entsteht.

Zwischen diesem tibetanischen Hochdruckrücken und der weiter südlich bzw. südwestlich über dem Tiefland des indischen Subkontinents entstandenen, oftmals hoch reichenden "Monsundepression" stellt sich in der mittleren und höheren Troposphäre eine östliche Strömung ein. Die Drehung des Windes mit der Höhe von südwestlichen auf östliche Richtungen geht mit einer "Kaltluftadvektion" in höheren Schichten der Troposphäre und damit einer Labilisierung der vergleichsweise flachen südwestlichen Monsunströmung einher.

So entstehen "kurzwellige" tropische Störungen, die mit vertikal und horizontal mächtigen Gewitterkomplexen verbunden sind und gebietsweise zu einer extremem Intensivierung des Monsunregens beitragen. Dabei spielt natürlich der Tagesgang der Konvektion eine Rolle, d.h. vor allem in der zweiten Tageshälfte und bis in die erste Nachthälfte hinein ist der Regen schauerartig verstärkt bzw. gewittrig.

Am vergangenen Sonntag verursachte ein Monsuntief in der Region Bengalen einmal mehr flächendeckend sintflutartige Regenfälle. Die unten stehende Karte zeigt u.a. die Gebiete des indischen Bundesstaates Westbengalen und der Volksrepublik Bangladesch. Eingetragen sind die in vierundzwanzig Stunden bis Montag, den 22.08.2016, 03:00 Uhr UTC, registrierten Niederschlagsmengen in ganzen Litern pro Quadratmeter (1 L/m² = 1 mm).

Außerdem finden Sie die vom montäglichen 00:00-UTC-Lauf des Vorhersagemodells ICON des Deutschen Wetterdienstes berechneten Prognosen der "geopotentiellen Höhe" [gpdam] der die mittlere Troposphäre repräsentierenden 500-hPa- Hauptdruckfläche sowie der Windvektoren (Betrag der Windgeschwindigkeit in Knoten, 1 kn = 1,852 km/h, sowie Windrichtung) auf der bodennahen 925-hPa- Hauptdruckfläche.

Dipl.-Met. Thomas Ruppert

Deutscher Wetterdienst

Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 24.08.2016

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