Die Rache des Winters

Der Winter 2015/2016 verlief außerordentlich mild und gehörte mit einer Abweichung von +3,4 Grad im Vergleich zum langjährigen Mittel zu den wärmsten Wintern seit Aufzeichnungsbeginn. Doch ausgerechnet jetzt, wo es für die Wintersportler schon zu spät ist, viele auf warmes Frühlingswetter hoffen, zeigt der Winter nochmals seine Zähne.

Am gestrigen Donnerstag sorgte noch ein Zwischenhoch mit Höchstwerten von 15 bis 22 Grad für sonniges Frühlingswetter. Doch zum Wochenende stellt sich die Wetterlage vollkommen um. Es folgt ein massiver Kaltlufteinbruch mit einem fast schon winterlichen Witterungsabschnitt.

Ursache dafür ist, dass sich derzeit ein Hochdruckgebiet über dem Nordatlantik aufbaut und sich Richtung Grönland ausdehnt. Gestützt wird dieses Hochdruckgebiet durch massive, Richtung Grönland gerichtete Warmluftzufuhr an seiner Westflanke. Dieses Hoch wirkt blockierend auf die West-Ost-Zugbahn der Tiefdruckgebiete. Man spricht deshalb auch von einem blockierenden Hoch oder einer atlantischen Blockade. Dadurch werden an der Ostflanke des Hochs die Tiefdruckgebiete über Mitteleuropa nach Süden geführt. Es stellt sich bei uns eine nördliche Strömung ein, bei der arktische Kaltluft angesaugt wird und über das Nordmeer nach Mitteleuropa geführt wird. Diese arktische Luft erreicht uns bereits am Samstag mit einer Kaltfront, die etwa am Samstagabend die Alpen erreicht. Die Folge ist länger andauernder Regen in der Südhälfte. In den Hochlagen der Mittelgebirge fällt zunehmend Schnee. Weiter nördlich kommt es in der Kaltluft bei wechselnder Bewölkung zu Schauern, die teils mit Graupel einhergehen. Die Nacht zum Sonntag wird dann in den meisten Gebieten ziemlich frostig bei Tiefstwerten von 2 bis -4 Grad. Einzelne Schauer können dann sogar in tieferen Lagen mit Schnee vermischt sein.

Am Sonntag hat die arktische Kaltluft ganz Deutschland erfasst und sich auch in höheren Luftschichten durchgesetzt. In etwa 5500 m Höhe sinkt die Temperatur auf bis zu -38 °C. Selbst im Winter wurden diese Werte nur selten erreicht. Die Folge sind kräftige Schauer und kurze Graupelgewitter. Die Höchstwerte liegen verbreitet nur noch im einstelligen Bereich. Oberhalb von etwa 500 m fällt Schnee. Da die Sonne aber jetzt schon genau so hoch steht, wie Mitte August, wird der Schnee tagsüber nur in den Gipfellagen der Mittelgebirge länger liegen bleiben.

Auch zu Beginn der neuen Woche hält das kalte Aprilwetter mit Frost in den Nächten und Schnee in den Bergen an. Denn die Wetterlage erweist sich als ziemlich stabil. Ein weiterer Schwall arktischer Luft erreicht uns voraussichtlich am Dienstag. Mit einer negativen Temperaturabweichung von etwa 7 Grad unter den für Ende April normalen Werten erreicht der Kaltlufteinbruch seinen Höhepunkt. Dann kann es sogar in tieferen Lagen in den Morgenstunden eine weiße Überraschung geben.

Kaltlufteinbrüche sind Ende April im Grunde nichts Ungewöhnliches. Sie kommen alle paar Jahre mal vor. In den letzten Jahren sind wir allerdings von den Temperaturen her auch ziemlich verwöhnt worden. Oft gab es da Ende April schon sommerliche Werte. Ungewöhnlich am diesjährigen Kaltlufteinbruch ist jedoch dessen lange Andauer. Denn die Modelle zeigen erst zum Ende der neuen Woche einen nur zaghaften Aufwärtstrend, wenn der Zustrom arktischer Kaltluft langsam nachlässt. Sonst dauern solche späten Kaltlufteinbrüche für gewöhnlich nur wenige Tage, ehe wieder eine deutliche Erwärmung einsetzt.

Dipl.-Met. Christian Herold

Deutscher Wetterdienst

Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 22.04.2016

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