Der Schmetterlingseffekt

Häufiger erhalten wir Anfragen, die das Wetter in ferner Zukunft betreffen. Doch die Wettervorhersage hat ihre Grenzen. Warum es diese Grenzen gibt und wo diese liegen, wird im Folgenden erörtert.

Häufiger erhalten wir Anfragen der Art: "Wir wollen in 2 Monaten heiraten. Wie wird an unserem Hochzeitstag das Wetter". In solchen Fällen müssen wir das Hochzeitspaar leider enttäuschen, denn Wettervorhersagen sind für einen so langen Zeitraum nicht möglich. Doch warum sind dem Vorhersagezeitraum Grenzen gesetzt und wo liegen die Grenzen der Vorhersagbarkeit? Um diese Frage zu beantworten, soll zunächst kurz erklärt werden, wie Wettervorhersagen in der Regel entstehen. In der heutigen Zeit leitet der Meteorologe seine Wetterprognose aus den Rechenergebnissen verschiedener Wettermodelle ab. Dabei wird von einem Hochleistungsrechner aus einem gegebenen Anfangszustand der Atmosphäre mit Hilfe von komplexen Gleichungen der Zustand zu einem späteren Zeitpunkt berechnet. Der Anfangszustand für diese Gleichungen ergibt sich aus den Stationsbeobachtungen, Messungen von Bojen, Schiffen und Flugzeugen, Ballonaufstiegen sowie aus Satelliten- und Radardaten. Wettermodelle liefern dem Meteorologen nicht nur die Feuchte- und Druckverteilung in verschiedenen Höhen, sondern auch Parameter wie die Temperatur, den Bedeckungsgrad sowie die Niederschläge.

Das Problem an den Berechnungen ist jedoch, dass die Atmosphäre ein chaotisches System ist. Das heißt, dass der zukünftige Zustand der Atmosphäre stark von den Anfangsbedingungen abhängig ist. Nur geringe Abweichungen in diesen Anfangsbedingungen können zu einer völlig andern Wetterentwicklung in der Zukunft führen. Der amerikanische Meteorologe Edward N. Lorenz, der Begründer der Chaostheorie, veranschaulichte diesen Effekt damit, dass ein Flügelschlag eines Schmetterlings in Brasilien unter Umständen einen Tornado in Texas auslösen kann. Heute ist dies als der sogenannte Schmetterlingseffekt bekannt. Lorenz gelangte zu dieser Entdeckung bei Computerrechnungen, die das Verhalten von Gasen und Flüssigkeiten simulierten.

Nun lässt sich der Anfangszustand der Atmosphäre für die Wettermodelle nicht beliebig genau bestimmen. Zum einen gibt es nicht für jeden Punkt der Atmosphäre Messungen, zum anderen sind alle Beobachtungen in einem gewissen Rahmen fehlerbehaftet. Des Weiteren sind die Gleichungen in den Wettermodellen zum Teil nur Näherungen. So werden die Modellrechnungen mit zunehmender Vorhersagezeit immer unsicherer. Wie lange das Wetter noch einigermaßen vorhersagbar ist, hängt stark von der Wetterlage ab. Bei stabilen Wetterlagen ist der Zeitraum entsprechend länger, während er bei Grenzwetterlagen oft nur wenige Tage beträgt. Im Allgemeinen gilt jedoch, dass das Wetter derzeit, ohne auf regionale Detailprognosen einzugehen, im Mittel etwa 7 Tage vorhersagbar ist. Bis zu 10 Tagen kann man noch einen groben Trend angeben.

Um das Problem mit dem Chaos zumindest etwas in den Griff zu bekommen, werden sogenannte Ensemblerechnungen durchgeführt. Das bedeutet, dass ein Wettermodell mehrere Male mit jeweils leicht variierten Anfangsbedingungen gerechnet wird. Wenn sich jetzt bestimmte Wetterentwicklungen in den Berechnungen häufen, sind diese am wahrscheinlichsten. Zudem lassen sich dadurch Aussagen über die Vorhersagesicherheit treffen. Nähere Informationen hierzu finden sie in den Themen des Tages vom 19.12. und 20.12.2015, sowie vom 24.01.2016.

Dennoch wird sich auch in Zukunft trotz immer besserer Computer und genaueren Messdaten, die mögliche Vorhersagezeit nur wenig verlängern. Denn auch in Zukunft wird sich nicht jeder Flügelschlag von Schmetterlingen erfassen lassen. Der Mathematiker und Chaosforscher Wladimir Igorwitsch Arnold stellte fest, dass die prinzipielle Grenze von Wettervorhersagen bei 2 Wochen liegt. Wem das für die Hochzeitsplanung zu kurz erscheint, für den gilt auch in Zukunft in Sachen Wetter das Prinzip Hoffnung.

Dipl.-Met. Christian Herold
Deutscher Wetterdienst Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach, den 19.02.2016
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