Eine einfach komplexe Schneesturmvorhersage

Das Wetter in Nordamerika ist ja bekannt für seine teils außergewöhnlich heftigen Wettererscheinungen, was viele Bewohner der USA während der vergangenen Tage wieder einmal erfahren durften. Ein sehr starker Wintersturm sorgte besonders in den Millionenmetropolen wie Washington, D.C. oder New York für heftige Schneefälle und Sturm. Die Bedingungen für einen sogenannten "Blizzard" wurden dabei ohne Weiteres erfüllt. Diese sehen vor, dass über 3 Stunden oder mehr folgende meteorologische Erscheinungen vorherrschen: Ein anhaltender Wind oder wiederholte Böen von mehr als 56 km/h (Bft 7) und Sichtweiten von weniger als 400 m, die durch heftiges Schneetreiben oder Schneefegen hervorgerufen werden.

Doch bevor wir auf die Auswirkungen kommen, schauen wir einmal auf die Entstehung dieses Blizzards. Hierfür können Sie mit einem "Rechtsklick" auf das Bild und der Auswahl "Grafik anzeigen" dieses entsprechend vergrößern. Links oben ist eine Übersicht der Wetterzutaten dargestellt mit Blick auf große Bereiche der USA. Mit den grün markierten Regionen a) bis c) sind in den nachfolgenden 3 Bildern die Entwicklungsstadien des Blizzards und die umgebenden Temperaturverhältnisse nochmal explizit aufgeführt.

Man erkennt in gelb eingezeichnet einen markanten und ungewöhnlich weit nach Süden ausgreifenden Höhenjet, also einen Bereich mit sehr hohen Windgeschwindigkeiten in rund 9 km Höhe. Dieser Jet lenkt die Tiefdruckgebiete und sorgte in diesem Fall dafür, dass das Tief innerhalb von 3 Tagen von a) nach c) zog. Aus der Karibik strömte warme und sehr feuchte Luft vorderseitig nach Norden (siehe "roter Pfeil"), während rückseitig Polarluft südwärts geführt wurde. Neben diesen Temperaturgegensätzen bildete auch die günstige Lage zweier "jet streaks" einen Nährboden für die Entwicklung kräftiger Tiefdruckgebiete. Ein "jet streak" beherbergt die stärksten Winde in solch einem Höhenjet und bei der hier gezeigten Konstellation wird die Luft zwischen beiden jet streaks zusätzlich zum raschen Aufsteigen gezwungen. Beide Bedingungen sind förderlich für eine beträchtliche Intensivierung des Tiefdruckgebietes.

Bei a) wird die Entstehungsphase des Wintersturms gezeigt, wobei sich das Tief im Grenzbereich von Texas und Oklahoma entwickelte. Milde Luft von Mexiko wurde nordwärts geführt und diese Luftmasse in b) mit zunehmendem Einfluss des warmen Wassers im Golf von Mexiko sogar noch wärmer und feuchter. Dies ist auch ein klassisches Szenario für die Bildung heftiger Gewitter entlang der Golfküste, da nun sehr energiegeladene Luftmassen auf die Dynamik eines sich entwickelnden Tiefdruckgebietes treffen, wo auch Winde mit der Höhe zunehmen und ihre Richtung ändern (Windscherung). Diese Gewitter traten vergangene Woche dort auch auf. Letztendlich erkennt man in c), wie sich das Tiefdruckgebiet rasch nach Nordosten verlagert hat und sich dabei deutlich intensivierte. Auch die Temperaturgegensätze auf seiner Vorder- und Rückseite haben sich nochmals verschärft. Schauen Sie nur mal, welche Dimensionen dieses Tiefdruckgebiet hatte (rund 6 Millionen Quadratkilometer!).

Diese Entwicklung erfolgte auf einer recht klassischen Zugbahn eines sogenannten "Nor'easter" (ein Sturm entlang der Ostküste der USA). Die Meteorologen hatten an Hand der exzellenten globalen Wettermodelle diese Entwicklung sehr gut im Griff, sodass es eine recht "einfache" Schneesturmvorhersage war und entsprechend rechtzeitig und gut gewarnt wurde.

"Komplex" wurde die Vorhersage jedoch im in der Abbildung gelb hervorgehobenen Bereich im Nordquadranten des Tiefdruckgebietes (c)). Dort fiel, wie allgemein bei solchen Tiefdruckgebieten üblich, der meiste Schnee. Auf engstem Raum können dabei die Gradienten der gemessenen Neuschneehöhen sehr groß sein, da die Niederschläge nicht selten konvektiv (also schauerartig) verstärkt sind. Bei diesem Sturm betrug der Neuschneehöhenunterschied teils 75 cm auf 75 km Distanz. Zudem sorgte der heftige Nordostwind für erhebliche Schneeverwehungen und auch die Vorhersage der Stärke und Position dieses Starkwindfeldes kann als sehr komplex angesehen werden, da dieses stark von der Intensität und Lage des Tiefdruckgebietes abhängt.

Zuletzt seien noch einige, meist noch nicht verifizierte und durch den Wind stark schwankende Neuschneemengen des gesamten Wintersturmereignisses genannt. Es ist sogar absehbar, dass es zahlreiche Neuschneerekorde gegeben hat: Washington knapp 75 cm, Philadelphia 50 bis 60 cm und New York (Kennedy Airport) 60 bis 70 cm Neuschnee. Auf jeden Fall war das ein wahrlich beeindruckender Sturm, oder wie er in den USA unter anderem getauft wurde: Ein wahrer "Snowzilla".

Dipl.-Met. Helge Tuschy

Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 25.01.2016

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