Ende einer meteorologischen Ära: Letzte Handanalyse von

Bodenwetterkarten im Deutschen Wetterdienst

Wetter, Witterung und Klima der mittleren Breiten, also auch unser Deutschlandwetter, werden durch die zwischen den subtropischen Hochdruckgürteln und den Polarregionen anzutreffende Westwinddrift mit ihren einander abwechselnden Hoch- und Tiefdruckgebieten bestimmt. Diese Hoch- und Tiefdruckgebiete sind dreidimensionale Wirbel mit meist vertikaler Achse, deren Verlagerung von der Höhenströmung in der mittleren Atmosphäre gesteuert wird. Sie realisieren den Energieaustausch zwischen niederen und hohen geographischen Breiten, in dem an ihren Vorderseiten warme (subtropische, selten auch tropische) Luftmassen nordwärts und auf den Rückseiten kalte (polare bzw. subpolare) Luftmassen südwärts gelenkt werden.

Dabei kommt der Begriff Front ins "Spiel". Als Front bezeichnet man die Schnittlinie einer Fläche am Boden bzw. auf der Bodenwetterkarte, welche zwei Luftmassen mit unterschiedlichen physikalischen Eigenschaften voneinander trennt. Frontalzonen und Fronten bilden sich immer dann, wenn durch die atmosphärische Zirkulation bedingt, verschiedene Luftmassen gegeneinander strömen und seitwärts abgelenkt werden. Frontalzonen sind Ursprungsgebiete außertropischer Tiefdruckgebiete, welche verschiedene Luftmassen in ihre Zirkulation einbeziehen und in ihren Grenzgebieten folglich Fronten ausbilden.

Innerhalb einer Luftmasse sowieso, aber auch beim Übergang von einer Luftmasse zu einer anderen erfolgt die horizontale Änderung dieser Eigenschaften (u.a. Temperatur, Dichte, Feuchtigkeit) streng genommen kontinuierlich. Sie kann aber so scharf sein, dass man faktisch von Grenzflächen zwischen den Luftmassen spricht. Vor allem die horizontale Temperaturänderung verläuft diskontinuierlich. Im Bereich einer Frontfläche vermischen sich Luftmassen mit unterschiedlichen Temperaturen und Wasserdampfgehalten. Die "Mischluft" ist übersättigt und es kommt zur Kondensation des Wasserdampfes, daher sind Fronten vielfach mit Wolken und Niederschlagsbildung verbunden.

Wie auch immer, wer in den mittleren Breiten Wettervorhersage betreibt, kann sich dem Frontbegriff nicht entziehen. Folglich ist die Analyse von Bodenwetterkarten als Abbild des Ist-Zustandes des aktuellen Wetters aus mehreren Gründen in der täglichen Praxis im Vorhersagedienst unverzichtbar. Bei der Analyse von Bodenwetterkarten kommt das so genannte "Frontenkonzept" zum Tragen, das sich seit mehr als 100 Jahren in der synoptischen (d.h. "zusammenschauenden") Wetterkunde bewährt hat. Das Frontenkonzept erleichtert wesentlich die Beschreibung und Diagnose von Wetterlagen.

Analysierte Bodenwetterkarten sind auch im Kreise der Nutzer (u.a. Krisenstäbe im Katastrophen-Management, Behörden, wissenschaftliche Institutionen) sowie in der interessierten Öffentlichkeit wohlbekannt und folglich eine vertraute und verständliche Darstellungsform (z.B. Zeitungswetterkarten). Außerdem werden die innerdienstliche Kommunikation der Meteorologen untereinander und die Verständigung mit weiteren Nutzern durch das Frontenkonzept deutlich verbessert. Die Einführung des Frontenkonzeptes in die numerische Analyse und Prognose konnte allerdings bisher nicht befriedigend gelöst werden, so dass hierbei die manuelle Bearbeitung überlegen ist.

Wie gesagt, werden Fronten häufig von markanten Wetterereignissen begleitet. Die Frontenanalyse und deren Verlagerung bieten daher ein ideales Instrument zur Wetterüberwachung und -vorhersage. Insbesondere sommerliche Konvergenzen (Squall-Lines) mit der Gefahr von Unwettern durch konvektive Umlagerungen werden von numerischen Modellen nur unzureichend simuliert und können durch manuelle Analysen besser herausgearbeitet und somit überwacht werden. In der Kürzestfristprognose liefern Beobachtungsverfahren nach wie vor bessere Ergebnisse als die Numerik. Manuelle Fronten- und Konvergenzanalysen sind wesentlicher Bestandteil dieser Vorgehensweise. So werden Analysen zu einem unverzichtbaren Erfahrungsgewinn für die Wetterüberwachung und das Nowcasting insbesondere sommerlicher Schwergewitterlagen.

Weiterhin bieten archivierte Bodenwetterkarten mit analysierten Fronten ein ideales Instrument für Recherchen jeglicher Art. Dadurch liefern solche Karten einen Beitrag zur klimatologischen Grundversorgung und für dokumentarische Zwecke, insbesondere auch für wissenschaftliche Arbeiten an Universitäten. Tropische Wirbelstürme, die in abgeschwächter Form auch das Wetter in Deutschland beeinflussen können, werden durch numerische Modelle bislang unzureichend aufgelöst und prognostiziert. Auch hierbei ist eine manuelle Analyse deutlich überlegen und hilfreich für die Bewertung der numerischen Prognosen. Schließlich wird das Frontenkonzept auch für Prognosekarten (TKBs) beibehalten, unbedingt muss auch hier Isaac Newtons Erkenntnis gelten: ohne die Kenntnis des Anfangszustandes ist keine Aussage über künftige Ereignisse möglich! D.h. ohne Frontenanalyse kann es auch keine vernünftige Frontenvorhersage geben!

Nach über 100 Jahren manueller Analyse von Bodenwetterkarten - auf Papier mit Bleistift und Radiergummi - werden die Analysen im DWD ab heute, 18.02.2014, 12:00 UTC, mit einem entsprechenden elektronischen Editor ausschließlich am Bildschirm ("On Screen") durchgeführt.

Dipl.-Met. Sabine Krenovsky, Dipl.-Met. Thomas Ruppert

Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 18.02.2015
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